Jahresrückblick 2016

  • Winter


    Das Jahr ist noch einstellig. Wir sitzen im Flugzeug auf dem Weg nach Tromsø. Fast zwei Stunden. Überraschend lang, dieses Norwegen. Man liest die Zeitung, bis die Finger schwarz sind. Silvesternacht in Köln, Achim Mentzel tot und David Bowie ziemlich krank. Als das Flugzeug zum Landeanflug einschwenkt, der Blick aus dem Fenster auf die vielen Lichter mitten im Fjord: Schon schön, aber 2016 hätte besser anfangen können.




    Es liegt nur eine dünne Schneedecke. Es ist windig und ziemlich warm. Also warm für Nordpolarkreis. Einer tritt den Halbmarathon im Neopren an. Irgendjemand hat aber gerade die Gravitationswellen entdeckt und schickt sie ihm auf den Hals. Ätsch. Alle anderen sind zufrieden mit ihrem Finish. Sie lassen in einer Jurte mit Lagerfeuer in aller Ruhe ihre Klamotten einräuchern. Es ist der erste Lauf für Hanny in der M 60. Eine Pendelstrecke am Wasser. Herzlichen Glückwunsch zum ersten Havellauf in weiß.




    Tagsüber ist ein Begriff, der in Nordnorwegen einen anderen Inhalt hat als bei uns. Alle haben das Gefühl, dass einer vergessen hat, draußen das Licht anzuknipsen. Aber es ist gerade noch so hell, dass sich die Polarlichter im Himmel verstecken können, diese kleinen Scheißer. Einige fahren nachts mit dem Bus fast bis nach Russland. Andere nehmen das Schiff und wagen sich auf das Nordpolarmeer. Aber das scheue Naturspektakel geniert sich in dieser Nacht ziemlich. Am Ende reden sich alle das bisschen Grün am Himmel schön und machen sich über Kuchen mit Karamellsauce her. Dazu gibt es Sekt von Katharina, gespendet von Wolfgang aus dem Inhalt ihres gestohlen geglaubten Portemonnaies. Wir sind so ergriffen von dieser Geste, dass wir gleich eine Votivkerze anzünden wollen. Aber in der Eismeerkathedrale ist Kindergottesdienst. Gucken wir eben von außen. Sieht aus wie zusammengeschobene Eisplatten. Aus Beton, aber nett beleuchtet, Energie gibt´s ja genug. Von wegen, der Klimawandel ist eine Verschwörung der Chinesen. Wir murmeln Schön! in unsere Schals und gehen weiter. Im Museum stehen wir vor einem Seitpferd mit einem selbstgebastelten Briefkasten dran. Selbstschussanlage für die Eisbärenjagd. Gemeine Sache.




    Der Umstieg in Oslo gerät zu einem Tempoausdauerlauf. Alle schnaufen, die einen aus Stress, die anderen, weil sie die Headlines der Zeitungen sehen: David Bowie hat das Wochenende nicht überlebt. Gottseidank fühlen wir uns noch gesund. Wozu auch sonst die ganze Rennerei?




    Inklusive unserer Laufreise finishen in den ersten drei Monaten 2016 rd. 30 FH-Runners in gut 10 Veranstaltungen. Christoph läuft zweimal in Frankreich und Kerstin geht in Barcelona an die Startlinie. Bei der Deutschen Meisterschaft über 50 Km in Berlin kommt sie sogar aufs Treppchen. Und erstmals seit langem melden wir wieder zwei Teams für die Staffel im Juni an.





    Frühling


    Die Sonne kommt raus. Alle warten wieder brav mit ihren Armbändchen in den langen Schlangen am Alex auf Einlass. Auch wir. Gigantische Absperrgitter, Lkw-Kolonnen bis zum Horizont und zu wenig Plastikklos zwischen stalinistischer Architektur. Warm-up-Einpeitscher bellen in die Mikrofone. Launige Sicherheitsleute lassen keine Ausnahmen zu. Egal, worum es geht. Und wehe, der Kleidersack ist nicht durchsichtig. Mittlerweile fühlt man sich im Startbereich des Halbmarathons wie im Gulag. Das soll der Sicherheit dienen. Einen Meter hinter der Startlinie ist die Strecke selbst 21 Km lang vollkommen frei zugänglich. Werden Läufer in Gruppen eigentlich auch zu einer Herde von postfaktischen Idioten? Wahrscheinlich! Aber wir haben immerhin einen Soundtrack für unsere Doofheit: „Is mir egal, is mir egal.“ Gestiftet von der BVG. Passt.




    Na ja. Wir konzentrieren uns nicht so sehr auf die Logik der Veranstaltung, sondern aufs Laufen. 17 Finisher sind sehr ordentlich. Björn knackt mit Ansage die 1:30-Marke. 1:29:59. Wir anderen erschauern vor so einem feinen Zeitgefühl und senken ehrfurchtsvoll die Köpfe.




    Die Saat des Winters geht im Juni tatsächlich auf. Zwei Staffelteams gehen im Tiergarten an den Start. Wir trauen uns mal wieder was und besetzen nach erwarteten Zeiten. Und, verrückte Geschichte, beide Teams haben trotzdem Spaß. Die „FHR I werden Gesamt-25ste, „FHR II“ Gesamt-421ste. Von 4.996 Staffeln. Irgendwie haben wir es verbaselt, dieses Hammerergebnis prominent auf unserer Homepage zu platzieren. Wegen Nachwuchsfang und so. Selbstwerbemäßig könnten wir noch was tun. Aber da sind ja jetzt Bodo und Hanny dran. Sogar mit neuer Homepage.




    Summasummarum finishen im Frühjahr bei knapp 30 Veranstaltungen gut 80 RH Runners. Im Inland sind der Liepnitzseelauf und die BIG 25 nach wie vor Magneten. Im schweizerischen Biel gewöhnt man sich auch schon an unsere grünen Hemden, diesmal sind es die von Kerstin, Anja und Max. Holger erläuft sich Kopenhagen. Maik und Kerstin fahren nach Spanien in den Urlaub und wollen uns glauben machen, dass sie beim härtesten Traillauf der Welt teilnehmen. Wir Daheimgebliebenen glauben ihnen kein Wort, die können uns viel erzählen. Dann treffen erste Fotos ein. Na gut, Transvulcania ist wohl doch kein Urlaub.




    Sommer


    Beim Gruppenfoto vor dem Grundgesetz ziehen alle die Reißverschlüsse ihrer Jacken bis ganz nach oben. Nachts kann sich der Sommer kaum noch gegen den Herbst wehren. Ein paar Stunden später haut er aber noch mal ordentlich einen raus. 16 FH Runners kommen bei Kaiserwetter ins Ziel. Dann ist der Berlin-Marathon 2016 Geschichte. Björn beendet sein Hanny-Trauma. Endlich ist er der Zweitschnellste in der Familie. Hurra. Dennis debütiert und Bodo quält sich tapfer zum nächsten Basislager. Am Gipfel winkt das Jubilee-Shirt. Ist aber noch ein ganzes Stück.




    Zur City Night hatten sich zuvor von unseren Runners mal wieder einige mehr als in den Vorjahren durch die glutheißen Straßenschluchten gewagt. Beim Gartenlauf wackelt die 40-Minuten-Marke von Björn. Aber er findet das Ziel nicht. Klingt komisch, ist aber so. Beim SwimRun in Rheinsberg warten Jan und Lizzy im Ziel fast eine Stunde auf Nikolaus. Maik startet gleich zweimal hintereinander im österreichischen Kleinwalsertal und feilt weiter an seiner Legende, die irgendwo zwischen Reinhold Messner und Luis Trenker liegt. Christoph setzt seine Erkundungstour in der Schweiz fort. Und am Hotspot Rejkjavik steigt die Party für Jörn, Björn und Enrico. Für Björn ist aber nach 38 Km der Geh-Punkt erreicht. Die Sache mit der richtigen Laufeinteilung wird schon irgendwann klappen.




    In den Monaten Juli bis September stehen insgesamt knapp 30 Starts an und es kommen über 60 FH Runners ins Ziel. Sehr gute Werte für diese Jahreszeit. Irgendwie müssen wir ja auch unseren Frust verarbeiten. Türkei-Putsch und Böhmermann-Theater, Brexit, der weiße Lkw in Nizza und McDonald´s in München. Eine verhärmte alte Frau und ein zorniger alter Mann in den USA belästigen uns mit einem grauenhaften Theaterstück zum Thema Hass. Schweinsteigers Hand lässt uns alle aufstöhnen und wer noch keine Ahnung hatte, was fremdschämen ist, weiß es spätestens seit dem Gehampel vom kleinen Harting auf dem Podium in Rio. Plattfuß am Nil macht den Bowie, Prince, Liebling Kreuzberg, Horst Schimanski und Muhammad Ali auch – und Peter „The Löwenzahn“ Lustig. Soviel Verkorkstes kann auf der anderen Seite Angelique Kerber allein als neue „Nummer 1“ in der Waagschale nicht aufwiegen, dafür ist die viel zu schlank. Und so wird eben viel gelaufen. Schon aus therapeutischen Gründen.




    Herbst


    Ein Gutes hat eine solche Selbsttherapie – wir treten fit wie Turnschuhe in das letzte Quartal ein und legen mit 13 Starts und rd. 30 Finishern einen Oktober hin, wie es ihn noch nie gab. Maik, Björn und Hanny arbeiten direkt am Ersten an der Basis für Platzierungen in der Sägerserie, über die später sogar Zeitungen berichten werden. Legenden! Enrico auch, aber der hat ja ein rotes Shirt. Ist immer noch schade.




    Beim Team-Halbmarathon in Britz gehen zwei Gruppen an den Start. Hervé kämpft heldenhaft. Wir werden Vierte. Apropos zwei und vier – Annette und Maik starten beim Paarlauf und laufen im Staffelmodus in einer Stunde 16,5 Km. Erstaunlich für zusammen über 100 Jahre. Am Ende reicht das unter all den 20jährigen auch für den vierten Platz, nur 120 Meter am Podium vorbei. War dies die Geburtsstunde eines Dreamteams?




    In Amsterdam lassen sich Hanny, Björn und Enrico mit Bierkrügen unter einem Plakat fotografieren, auf dem eine schöne Nackte in Zwiebelringen liegt. Manches im Leben erklärt sich von selbst. Obwohl er so abgelenkt ist, löst Björn sein Hanny-Trauma auch im Halbmarathon und ist nun in dieser Disziplin ebenfalls Zweitschnellster in der Familie. Jetzt muss er noch an seinem Matti-Trauma arbeiten. Aber das wird schwer.




    Am Ende wird der Herbst inkl. aller Silvesterläufe mit rd. 25 Läufen und etwa 70 FH Runnern zu Buche schlagen. Björn findet beim Elly-Beinhorn-Lauf doch noch das Ziel und boosted die 40-Minuten-Marke. Nikolaus läuft in Bilbao durch eine hügelige Stadt, die um ein großes Museum herumgebaut ist. Und Kerstin schwärmt so über ihr Valencia-Marathon-Finish, dass wir uns beim Glühwein entschließen, 2017 alle dorthin zu fliegen, Ryanair sei Dank. Und das vielleicht auch noch mit neuen Shirts. Ist mal wieder Zeit.




    Und sonst?


    Hanny und Kerstin gewinnen die Laufserie 2016. Wir applaudieren unserem Großen und unserem Rotschopf. Neuerdings gibt es eine Lauf-WhatsApp-Gruppe. Und die Homepage ist in Arbeit. Das sind gute Zeichen. Die FH Runner gehen mit der digitalen Zeit. Vielen Dank an Maik und Bodo! In der Gesamtläufer_innen-Liste haben wir mit gut 40 Namen wieder ein Drittel mehr auf der Hüfte als im Vorjahr. Man möchte vor Begeisterung komplett ausrasten bei solchen Nachrichten. Gibt’s auch was Kritisches? Nö, eigentlich grad nicht. So aufs Ganze gesehen. Die Baustellen sind erkannt und wir murkeln uns mit kleinen Schritten aber stetig in die richtige Richtung. Jetzt müssen wir 2017 nur dranbleiben.




    Und natürlich alle hübsch gesund bleiben!

  • 3. Januar


    Erstes reguläres Training 2017 und niemand außer mir da! Die letzte Silvesterrakete ist noch nicht ganz ausgeglüht und schon
    war´s das mit den guten Vorsätzen? Doch wohl nicht wegen dem bisschen Regen?


    Der letzte Absatz war im Nachhinein wohl ein wenig zu optimistisch...

  • Du hast ja SOOO recht! Es waren die paar Tröpfchen... Aber heute kann es ja höchstens schneien - ich raffe mich auf!


    Auch im Forum nochmals herzlichen Dank Dir für diesen eindrucksvollen Jahresrückblick, mit soviel Herzblut geschrieben! Der Jahresbeginn war schon in weite Ferne gerückt - es ist gut, so noch einmal das Jahr Revue passiert zu bekommen!
    MUCHISIMAS GRACIAS!


    Ich bin noch bei der Entscheidungsfindung für die Jahresziele - bald also ein Jahresausblick: Rennsteig und Berlin- sowie Valencia-Marathon stehen als Eckpunkte fest, aber dazwischen gibt es ja noch "Luft" ... ich schwanke zwischen den 100 km flach in Berlin oder den 80 km Zugspitztrail ... beides im Juni...


    In jedem Fall braucht es Training! Bis heute Abend!
    Kerstin